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Jahrestagung 2022, Schmochtitz

Jahrestagung der AGOA
vom 25. bis 27. April 2022 in Schmochtitz
(Bildungsgut St. Benno)

Nachdem, bedingt durch die vielfältigen Einschränkungen der COVID-Pandemie, die Jahrestagung der AGOA seit 2019 nicht mehr stattfinden konnte, trafen sich 55 Ordensarchivarinnen und Ordensarchivare sowie Referierende in dem Bildungsgut St. Benno des Bistums Dresden-Meißen in Schmochtitz in der Oberlausitz.

Da einige Teilnehmende bereits am Sonntag anreisten, wurde für Interessierte bereits für Montagvormittag, den 25. April, ein Ausflug in das nahe Bautzen angeboten, was auch gerne angenommen wurde. Ziel waren das Diözesanarchiv, die Domstiftsbibliothek und die Domschatzkammer, durch welche Dr. Birgit Mitzscherlich und eine Mitarbeiterin kundig führten.

Um 14 Uhr begann der offizielle Teil der Tagung mit der Anreise weiterer Teilnehmender, einem Kaffee sowie der Begrüßung der Anwesenden durch die Vorsitzende der AGOA, Sr. Scholastika Dietrich OSA.

Um 15 Uhr führte Kaplan Dr. Jens Bulisch aus Ostro in die „Geschichte der katholischen Sorben in der Lausitz“ ein. Selbst Sorbe, gelang es ihm, im Zuge eines Streifzugs durch die sorbische Geschichte nicht nur die Besonderheit der Region und der Volksgruppe herauszustellen, sondern auch kenntnisreich Merkmale der sorbischen Identität zu erläutern. Er verwies nicht nur auf die Unterschiede zwischen der Nieder- und der Oberlausitz, darauf, dass es Sorben evangelischer und katholischer Konfession gibt. Die Besonderheiten des religiösen Lebens der katholischen Sorben wie auch deren Anteil am katholisch-religiösen Leben der Gegenwart wurden ebenso aufgegriffen wie die Bedeutung der sorbischen Sprache als identitätsstiftendes Merkmal.

Um 16.15 Uhr stellte Dr. Annett Bresan „das Sorbische Kulturarchiv in Bautzen: Geschichte, Bestände, Benutzung“ vor und vertiefte damit gleichsam einige identitätsstiftende Aspekte dieser Volksgruppe. Das Archiv als Aufbewahrungsort sorbischer Quellen ist ein Fundus sorbischer Geschichte. Dahinter steht ein Institut mit Standorten in Cottbus und Bautzen. Die Ursprünge gehen auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, es entstanden eine Sammlung sorbischer Dokumente und Übersetzungen religiöser Texte ins Sorbische. Gerade im 19. Jahrhundert sind zahlreiche Impulse im Kontext der Entstehung einer „nationalen“ sorbischen Identität festzustellen. 1904 kam es zur Gründung des „Wendischen Hauses“ in Bautzen. In der NS-Zeit Opfer restriktiver Maßnahmen, erfolgte in den Nachkriegsjahrzehnten eine Wiederzusammenführung noch vorhandener Teile des sorbischen Archivs und eine zunehmende Erschließung in einem Institut für sorbische Volksforschung. 1992 wurde das Institut in Bautzen staatlich anerkannt und auch konkret unterstützt. Das Sorbische Kulturarchiv versteht sich als ein nach Provenienzen unterschiedenes Sammlungsarchiv.

Nach Vesper mit Hl. Messe und Abendessen fand der erste Tag um 20 Uhr seinen Abschluss durch einen Vortrag von Dr. Birgit Mitzscherlich „Das Bistum Dresden-Meißen und seine Geschichte mit den Orden“. Kenntnisreich beleuchtete sie die drei großen Phasen der Bistumsgeschichte: Die Geschichte des alten Bistums Meißen von der Gründung 968 bis zur Reformation bzw. Säkularisation, die anschließende Phase zwischen 1568 und 1921 sowie die jüngere Geschichte, beginnend mit der Neugründung des Bistums Meißen 1921, welches 1980 in Bistum Dresden-Meißen umbenannt wurde.

Der zweite Tag begann nach Laudes und Frühstück um 9.30 Uhr mit dem Vortrag von Dr. Mark Steinert über „Fotos im Archiv: Was darf ich und was darf ich nicht?“. Der fachlich elementare Themenkomplex im Umfeld von Urheber- und Nutzungsrechten, Datenschutzgrundverordnung und Internetpräsentation ist für die archivische Arbeit mit Fotos bzw. AV-Medien und deren Verwertung für Nutzungszwecke und Publikationen von größter Bedeutung. Die langen Schutzfristen, die oft noch Jahrzehnte nach dem Tod eines Urhebers zu beachten sind, der Charakter von „Werken“, die urheberrechtlich geschützt sind und die Frage, an wen Rechte im Todesfall übergegangen sind bzw. der Aufwand, der mit einer Klärung verbunden ist, verweisen auf Umstände, die einer Vorlage von Fotos im Einzelfall entgegenstehen können. Der Referent wird eine ausführlichere Version seines Vortrags als „PPP“ zur Verfügung stellen.

Der Vorsitzende der Bundeskonferenz Kirchlicher Archive Dr. Thomas Scharf-Wrede berichtete in einem anschließenden Vortrag über den Sachstand bezüglich des „neuen Personalaktengesetzes der deutschen Diözesen und seine Implikationen für die Orden“.  In der Mehrzahl der deutschen Bistümer ist am 1. Januar 2022 eine neue „Rahmenordnung Personalaktenführung“ in Kraft getreten. Der Referent betont nochmals die Grundlagen einer kirchlichen Schriftgutverwaltung und die Notwendigkeit der Sicherung der Nachvollziehbarkeit kirchlichen Verwaltungshandelns als Daueraufgabe. Er stellt die Rahmenordnung in ihren wesentlichen Punkten vor. Für Ordensgemeinschaften ist diese von Bedeutung, da auch Personalakten von Ordensklerikern betroffen sind. Er sieht die Ordensgemeinschaften durch die Personalaktenordnung der Bistümer bezüglich ihrer eigenen Personalaktenführung vor erhebliche Herausforderungen gestellt und hofft, dass auch die Ordensgemeinschaften ihre Personalaktenführung gemäß den „Grundsätzen der Schriftgutverwaltung“ (ISO 15489:2016) anpassen werden.

Nach dem Mittagessen fuhren die Teilnehmenden mit dem Bus nach Bautzen, wo sie von 13.00 Uhr bis 14.30 Uhr in vier Gruppen eine Führung durch die Gedenkstätte Bautzen II („Stasi-Knast“) erhielten. Es war so eindrucksvoll wie bedrückend, diese jahrzehntelang durch die verschiedenen Regime (Nationalsozialismus, russische Besatzung, DDR) zur Unterdrückung missliebiger Personen genutzte Einrichtung, mittlerweile professionell als Gedenkstätte gepflegt, vorgeführt zu bekommen. Ihren Ruf verdankte sie vor allem der Tatsache, dass hier viele als Regimegegner verunglimpfte Personen jahrelang ohne wirkliche Rechtsgrundlage festgehalten, systematisch gedemütigt und eben auch in der DDR-Zeit fortwährend durch den Staatssicherheitsdienst abgehört wurden.

Im Anschluss an diesen Programmpunkt erhielt die Gruppe eine instruktive Führung durch den Bautzener Dom, den sowohl die evangelische wie die katholische Konfession nutzen, was sich auch im Inneren durch die klare bikonfessionelle Aufteilung des Kirchenraums deutlich zeigt. Im Bautzener Dom fand um 18 Uhr auch die abschließende Hl. Messe statt, bevor der Abend im sorbischen Restaurant „Wjelbik“ entspannt ausklang.

Der dritte Konferenztag griff nach Laudes und Frühstück um 9.30 Uhr ein brandheißes Thema mit dem Vortrag von PD Dr. Frank Kleinehagenbrock über den „Arbeitskreis Missbrauchsforschung in der Kommission für Zeitgeschichte“ auf. Seit den 1990er Jahren ist „Missbrauch“ ein zentrales Thema der internationalen Zeitgeschichte und vor allem in der Gegenwart mit einem hohen Erwartungsdruck hinsichtlich der Ergebnisse einschlägiger Forschungen. Ergänzend zu den durchaus unterschiedlich strukturierten Studien einzelner Diözesen hat die Kommission für Zeitgeschichte das Thema in einem eigenen Arbeitskreis als Forschungsinitiative und aus eigenem Antrieb wissenschaftlich aufgegriffen. Der Referent verhehlte nicht die rechtlichen Probleme bei der Nutzung relevanter Archivalien wie auch die speziellen Probleme bei der Interpretation von Oral-History-Quellen. Wichtig seien die geschichtliche Kontextualisierung, die Erstellung kollektiver Biographien, das Aufdecken von Schweigekartellen bzw. die rechtliche Aufarbeitung der Biographien von Tätern und Opfern. Der Referent machte deutlich, dass auch die Orden – er verwies konkret auf Schulen in Ordensträgerschaft – in die Aufarbeitung durch die Kommission einbezogen werden müssten, und verwies auf die Website der DOK mit Informationen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauch. Da ein erster Versuch, über die DOK einen Fragebogen an die Ordensgemeinschaften zuzustellen, ohne Resonanz blieb, sollen die Ordensarchive in einem zweiten Versuch unmittelbar kontaktiert werden.

Nach der Kaffeepause schloss der Vormittag mit dem um 11 Uhr angesetzten Konferenzteil u.a. mit den Rechenschaftsberichten des Vorstands, seiner Entlastung, Mitteilungen sowie der erfolgreichen Neuwahl. Zum Konferenzteil gibt es ein eigenes Protokoll. Für die kommenden vier Jahre werden Sr. Christiane Roth OSB, Dr. Clemens Brodkorb, Sr. Petra Flöck PIJ, Dr. Birgitta Klementz und Dr. Wolfgang Schaffer versuchen, mit Rat und Tat den zahlreichen Mitgliedern der AGOA in vielfältiger Hinsicht Ansprechpartner zu sein.

Bericht: Dr. Wolfgang Schaffer, Pulheim

Das Tagungsprogramm finden sie hier.