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Jahrestagungen / Workshops

Jahrestagungen / Workshops

Gemeinsame Ordensarchivtagung vom 8. bis 10. April 2024 in München, Exzerzitienhaus Schloss Fürstenried

 

Die diesjährige (26.) Jahrestagung der AGOA fand als (5.) gemeinsame Veranstaltung mit der ARGE Ordensarchive Österreichs statt. 85 Ordensarchivarinnen und Ordensarchivare sowie Referierende trafen sich im Bildungshaus Schloss Fürstenried in München.

Um 14 Uhr begann der offizielle Teil der Tagung mit der Anreise der Teilnehmenden und einem Kaffee. Um 15 Uhr begrüßte die Vorsitzende der AGOA, Sr. Christiane Roth OSB, die Anwesenden.

Im anschließenden ersten Vortrag des Tages setzte sich Johannes Thomé mit dem Thema „Webseitenarchivierung für Ordensarchive“ auseinander und ging auch kurz auf die Schwierigkeiten des Archivierens von Beiträgen in Social Media ein. Bereits 2002 hat die Bundeskonferenz der Kommunalarchive darauf aufmerksam gemacht, dass auch Unterlagen aus digitalen Archiven ein Teil des historischen Erbes von Institutionen, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen sind. Hierzu zählen auch Webseiten, denen eine weiterhin zunehmende Bedeutung für die Darstellung der je eigenen Tätigkeiten, für die öffentliche Wahrnehmung von Institutionen und deren Identität zukommt. Genuin digitale Überlieferung muss auch digital archiviert werden. Dies ist eine besondere fachliche Herausforderung, zumal es noch keine Lösung digitaler Art gibt, die für eine „Langzeitarchivierung“ geeignet ist. Webseiten gehören immer der eigenen Organisation, so dass hier archivisches Handeln unmittelbar gefragt ist. Sie sind Teil des historischen Erbes mit Ziel der Wahrnehmung der eigenen Organisation, also auch einer Ordensgemeinschaft. Probleme entstehen u. a. dadurch, dass Webseiten in unterschiedlichen Formaten vorliegen, da dahinter unterschiedliche Content Management Systeme stehen. Sie sind als dynamische Dokumente anzusehen, so dass eingebettete Strukturinformationen, die nicht heruntergeladen werden, verloren gehen. Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, ob nur die Inhalte einer Webseite archiviert werden sollen oder aber auch deren volle Funktionalität. Klarheit sollte auch dahingehend bestehen, welche Inhalte ggf. gezielt abgegriffen werden sollen bzw. in welchen zeitlichen Abständen dies geschehen sollte, da kurze zeitliche Abstände die Gefahr von Redundanzen mit sich bringen. Es gibt eine Reihe von Werkzeugen, die bei der Webseitenarchivierung unterstützen oder diese auch weitgehend automatisieren können. Sie alle haben aber je eigene Vor- und Nachteile, die bei der Auswahl sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind.

Der zweite Vortrag des Nachmittags von Dr. Wolfgang Stein setzte sich mit dem Thema „Josef Kentenich und die Schönstätter Marienschwestern. Implikationen eines Grundsatzurteils für die Archivarbeit“ auseinander. Im Mittelpunkt stand ein Urteil des Landgerichts Berlin aus dem März 2020 mit Auswirkungen auf die archivische Nutzungspraxis. Die Wissenschaftlerin Alexandra von Teuffenbach hatte durch das Vatikanische Archiv die Genehmigung zur Erforschung von Unterlagen zur Vorgeschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils aus der Amtszeit von Papst Pius XII. bekommen. In der Überlieferung fand sie den Brief einer Schönstätter Marienschwester in Chile an ihre Generaloberin aus dem Jahr 1947. In den Fokus geriet hier der Gründer der Marienschwestern P. Josef Kentenich. Die in diesem Brief geschilderten Praktiken Kentenichs gegenüber einzelnen Schwestern lösten bei der Schreiberin erhebliche Verstörungen, ja eine gewisse Traumatisierung aus. Von Teuffenbach veröffentlichte ihre diesbezüglichen Erkenntnisse, ergänzt durch Zeugnisse weiterer Marienschwestern, im Jahre 2020 in einer wissenschaftlichen Publikation. Prekär war die Angelegenheit auch dadurch, dass ein Seligsprechungsprozess des Gründers bereits auf den Weg gebracht worden war. Das Schönstätter Generaldirektorium sagte eine Aufarbeitung des Sachverhalts zu, ließ der Autorin zugleich Ende 2020 eine Abmahnung und Klage zukommen, die das Landgericht Berlin indes im Sinne der Beklagten entschied (LG Berlin Az 27 O 443/20). Die Begründung stützte sich auf eine Reihe von Argumenten, die von unmittelbar archivischem Interesse sind: U. a. stellte es heraus, dass postmortaler Persönlichkeitsschutz nicht aus dem Recht der informationellen Selbstbestimmung abgeleitet werden kann. Wissenschaftsfreiheit ist als hohes Gut anzusehen, inkl. der Tatsache, dass Wissenschaft auch Minderheitenmeinungen vertreten darf. Eine Straftat sah das Gericht nicht als gegeben an. Auch den Vorwurf eines körperlich-sexuellen Missbrauchs sah das Gericht als zulässige Meinungsäußerung der Autorin im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsfreiheit an. Hinsichtlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes gibt es keinen grundgesetzlichen Schutz auf das Andenken an einen Verstorbenen. Der Referent stellte abschließend die Frage an die Archive, ob dort nicht zu sehr Täterschutz praktiziert werde und der Gesichtspunkt des postmortalen Persönlichkeitsschutzes nicht im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit unzulässig überinterpretiert werde.

Nach Vesper mit Hl. Messe und Abendessen fand der erste Tag um 20 Uhr seinen Abschluss durch einen Vortrag von Dr. Roland Götz vom Archiv des Erzbistums München und Freising über den Umgang mit klösterlichem Archiv- und Bibliotheksgut im Erzbistum“. Die päpstliche Anordnung aus dem Jahr 1997 über die pastorale Funktion der kirchlichen Archive rechtfertigt auch die Beschäftigung des Archivs der Erzdiözese München und Freising mit dieser Thematik, die durch die KAO, die KAO-O und die Leitlinien zur Bewahrung gefährdeter Bibliotheksbestände fortgeschrieben wurde. Die Übergabe des Schriftgutes von Ordensgemeinschaften ist eine Option für das Diözesanarchiv, solche bischöflichen Rechts sind für den Fall der Aufhebung sogar verpflichtet, ihr Archivgut dem Diözesanarchiv anzubieten, im Hinblick auf solche päpstlichen Rechts hat das Diözesanarchiv zumindest einen Beratungsauftrag bzw. eine Beratungspflicht. Auch die Gemeinschaften päpstlichen Rechts können eine Übergabe an das Diözesanarchiv anstreben. Ähnliches gilt für die Übernahme von Bibliotheksgut durch Diözesanbibliotheken. Der Referent verdeutlicht die gängige Praxis an drei konkreten Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit (Übernahme des Bibliotheks- und Archivguts des Salesianerinnen-Klosters Beuerberg, des Ursulinenklosters Landshut, des Birgitten-Klosters Altomünster). Das Diözesanarchiv sorgt üblicherweise für die Sicherung des Materials (Inventarliste, Verpackung, Abtransport), die inhaltliche Erschließung in Datenbanken sowie die konkrete Nutzung. Aktuell läuft ein gemeinsames Projekt mit der Staatsbibliothek München zur vollständigen Digitalisierung des Bibliotheksbestandes des Klosters Altomünster.

Der zweite Tag begann nach Laudes und Frühstück um 9.15 Uhr mit dem Vortrag von Iris Fichtinger über die Notfallplanung am Beispiel der Österreichischen Ordenskonferenz. Naturkatastrophen gefährden auch das kulturelle Leben mehr denn je. Dem Kulturgüterschutz (erstmals 1899 in der Haager Landkriegsordnung problematisiert) kommt daher eine immer größere Bedeutung zu. Der Kulturgüterschutz betrifft unmittelbar auch die Archive, die gefordert sind, je eigene Notfallplanungen für den Katastrophenfall aufzustellen. Umfassende Notfallprävention ist unerlässlich, hierzu gehört u. a. die Anfertigung einer Risikoanalyse und die Festlegung eines Risikomanagements). Seit 2022 wird auch von Seiten der Österreichischen Ordenskonferenz ein Notfallplan erstellt bzw. weiterentwickelt.

Der anschließende Vortrag von Miriam Trojer stellt die konkreten Maßnahmen Notfallplanung im Prämonstratenserchorherren Stift Wilten in Innsbruck vor. Diese erstreckt sich auf das Archiv, die Bibliothek, die Kunstgegenstände und die historischen Messgewänder. Am Anfang stand unter Einsatz der Software silk-tool die Erstellung einer Risikoanalyse mit der Notwendigkeit einer Priorisierung. Hierin flossen Gesichtspunkte wie Wert für die Region, Unersetzlichkeit, Reproduzierbarkeit, Geldwert, Bedeutung für die Kirchengeschichte, Bedeutung als wissenschaftliche Ressource u. ä. ein. Es zeigt sich, dass der Aufwand sich lohnte, da die Notfallplanung nicht nur Archiv und Bibliothek in einen aktiven und fruchtbaren Austausch mit Klosterleitung und Technik brachte, sondern auch für unterschiedliche Katastrophenszenarien optimierte Handlungsstrategien brachte.

Nach dem Mittagessen fuhren die Teilnehmenden mit dem Bus nach Neufahrn, wo sie ab 14.30 Uhr in drei Gruppen eine Führung durch das allein schon in seinen Dimensionen beeindruckende Außenmagazin von Archiv und Bibliothek der Erzdiözese München und Freising erhielten. Im Anschluss erfolgte die Weiterfahrt nach Freising, wo ab 16.30 Uhr ebenfalls in mehreren Gruppen eine Führung durch das wiedereröffnete Diözesanmuseum stattfand. Nach Hl. Messe (Zelebrant Weihbischof em. Bernhard Haßlberger) im Freisinger Dom klang der Abend mit einem gemeinsamen Abendessen im Bräustüberl Weihenstephan aus.

Der dritte Konferenztag begann nach Laudes und Frühstück um 9.45 Uhr mit einem Vortrag von Dr. Clemens Brodkorb, der für den erkrankten ursprünglich vorgesehenen Referenten einsprang. Er berichtete zunächst kurz, dass die seit 1997 bestehende Zusammenarbeit der Bundeskonferenz Kirchlicher Archive (BBK) und der AGOA ‒ zwei Vertreter/Vertreterinnen der AGOA gehören bisher laut Geschäftsordnung als „assoziierte Mitglieder“ zur Bundeskonferenz ‒, erfolgreich weitergeführt wird, wobei von besonderem Interesse ist, dass die Satzung der BKK dahingehend geändert werden soll, dass AGOA und AGAUE (Arbeitsgemeinschaft der Archive überdiözesaner Einrichtungen) ordentliche Mitglieder der BKK werden sollen.

Anschließend stellte der Referent die im Januar 2022 abgeschlossene Handreichung Anbietung und Ubergabe von analogen und digitalen Unterlagen an kirchliche Archive vor. Grundlage hierfür ist der Konflikt wegen des sogenannten Löschungssurrogats bzw. der Grundsatz, dass Archivrecht dem Datenschutzrecht vorgeht. Die Handreichung setzt sich in mehreren Hauptteilen mit datenschutzrechtlichen Aspekten, der Arbeit der Archive (als Informationen für die Verwaltung) und den Besonderheiten beim archivischen Umgang mit digitalen Unterlagen auseinander. Das zuständige Archiv ist bei der Konzeptionierung neuer elektronischer Fachverfahren unbedingt einzubeziehen. Die datenproduzierende Stelle hat vor jeder beabsichtigten Löschung digitaler Daten eine Anbietungspflicht an das Archiv, Abgabefrequenz, Dateiformate und Bewertungshoheit des Archivs sind förmlich festzulegen. Digitale Langzeitarchivierung muss die unbegrenzte Nutzbarkeit der Daten sicherzustellen. Als besondere Problematik ist das Vorhandensein proprietärer Formate gegenüber langzeittauglichen Formaten zu fokussieren. Fachliche Vorgaben der Langzeitarchivierung müssen technisch sichergestellt sein, die Kriterien der OAIS (Open Archival Information System) sind zu gewährleisten.

Nach der Kaffeepause schloss der Vormittag mit dem um 11 Uhr angesetzten Konferenzteil. Zum Konferenzteil gibt es ein eigenes Protokoll, das per E-Mail an alle Mitglieder versandt wird.

 

Bericht: Dr. Wolfgang Schaffer

 

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AGOA-Workshop am 26./27. Oktober 2023 in Hünfeld

Bereits zum sechsten Mal fand am 26. und 27. Oktober 2023 der AGOA-Workshop statt. Nachdem dieser bisher immer im Haus Klara der Oberzeller Franziskanerinnen bei Würzburg stattgefunden hatte, haben wir in diesem Jahr das St. Bonifatiuskloster der Oblatenmissionare in Hünfeld als Tagungshaus gewählt. Grundsätzlich sollen diese Workshops in einer kleineren Gesprächsrunde Gelegenheit zum Austausch über aktuelle, vor allem auch praktische Fragen unserer täglichen Archivarbeit geben. 15 Ordensarchivarinnen und -archivare nahmen daran teil.

Wie bereits im Vorjahr (Rechtsfragen beim Umgang mit Fotos im Archiv) war eine Arbeitseinheit einem besonderen archivischen Thema gewidmet. Herr Michael Steppes von der Startext GmbH Bonn sprach über „Die Archivierung von Websites. Notwendigkeit und technische Lösung“. Die Präsentation seines Vortrags kann hier nachgelesen werden.